02/11/2020
Ausstellung / Exhibition:
TRAK WENDISCH | OXID
Bilder und Skulpturen
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Feuer in den Tiefen des Unbewussten
Die aktuelle Werkproduktion von Trak Wendisch ist gekennzeichnet durch eine überbordende Lust an Stofflichkeit und an der Verdinglichung. Dieser Künstler war nie ein Fan des flächig eleganten Form- und Linienspiels. Die Axt war ihm immer näher als der spitze Pinsel. Die Sache der Malerei betreibt er scheinbar mit schwerem Gerät. Als ob er sich durch unwegsames Gelände quälen müsste, durch brandgerodetes Niemandsland, Schlammlawinen, Stätten der Schmerzen, von Feuerschein erhellt. Keine Spur von der durchzivilisierten Welt, die Geborgenheit, Struktur und Sicherheit bieten könnte. Jedes dieser Werke hat einen zwingenden Zuschnitt, vielleicht vergleichbar mit den wuchtigen Klangkompositionen von György Ligeti und Krzysztof Penderecki, die ihrerseits ohne die gestisch-spontanen Werke des „art informel“ nicht denkbar sind. Wendisch nennt sich einen „Kriegsenkel“, der bis heute die Erlebnisberichte der Eltern und Großeltern von den Verheerungen des II. Weltkriegs im Ohr hat und in dessen Reich der Abenteuer sich noch in den 1960er Jahren die Luftschutzräume der Berliner Mietskasernen befanden. Dennoch sollte man sich hüten, Behauptungen des Autobiographischen blind zu folgen. Erinnerungen sind immer auf ein erinnerndes Subjekt zentriert und folgen ihren eigenen Wahrheitsregeln.
Wendischs kompakte Malerei, die keine narrative Eindeutigkeit kennt und als Abbild des langsamen Vorantastens auf den Brachen und Schutthalden nicht nur der deutschen, sondern der Weltgeschichte interpretiert werden kann, mag durchaus als eine Vorstufe zu seinen plastischen Hervorbringungen gesehen werden und dienen, aber das plastische Werk des Künstlers ist genauso impulsgebend für malerische Fragestellungen. So weist eins aufs andere hin.
Seine Bildoberflächen lässt Wendisch schichtenweise ausreifen. In dem von einem signalhaften Schwarz-Gelb-Kontrast geprägten Bild „Disruption“ (2020) wächst das Relief beispielsweise aus einer gespachtelten Mischung aus Glassand, Eisenoxydpigment, Modellierpaste und Acrylbinder, von unten nach oben offen aufgebaut, sodass eine poröse, erdige Oberfläche entsteht, die zum Teil mit schwarzer, matt glänzender Ölfarbe abgeschlossen wird.
Wendisch liebt den Widerstand seiner Materialmischung. Mit ihr verbindet sich für den Maler ein ganz anderen Reizwert als der, der Farbe und Leinwand innewohnt. Die Erprobung der Mittel setzt den manuellen Einsatzes voraus. Wendisch genießt es, körperlich ganz im Material zu sein, zu agieren, zu bewegen und mit allen Sinnen den Entstehungsprozess seiner Kunstwerke aufzusaugen.
Seit den 1980er Jahren spielt Feuer eine wichtige Rolle zur Steigerung der Drastik der Ausführung. Um seinen plastischen Figuren eine besondere Naturqualität der Schwarztönung zu verleihen, übergießt er sie mit einer Mischung aus Benzin und Petroleum und zündet sie an. Die Elementargewalt des Feuers zu genießen, den Brand aber auch minutiös zu kontrollieren und dabei die Endgültigkeit plastischer Verdichtung im Blick zu haben, ist Teil seiner konzeptionellen Gestaltentwicklung. Das trifft auch zu auf seine Verbrennungen, die beiden Serien „Stadt“ und „Feld“, die einen fesseln aufgrund ihrer merkwürdigen Ambivalenz zwischen sinnlicher, eingebrannter Form und dem Schrecken, der aus den Verwüstungen aus der Bomberperspektive spricht. Es handelt sich um eine sanfte Distanzierungsgeste, die das leidige Thema des historischen Denkens wie ein verschrobenes Prinzip hervorkehrt. Wendisch arbeitet nicht an einer erzählenden, sondern an einer offenen Sprache. Er wirft sich immer wieder aufs Neue in den Sog des Ungewissen, ohne den Verlockungen der Formbildung, wie der kollektiven Normativität zu erliegen.
Christoph Tannert
(März 2020)