01/03/2020
Silke Helmerdig
Rehearsal on the Mirror Stage
Wir möchten Euch ganz herzlich zur Eröffnung von Silke Hemerdigs Installation:
Rehearsal on The Mirror Stage bei MyBerlinWall einladen.
Die Eröffnung findet am Samstag, dem 07.03.2020 ab 15:00 Uhr statt.
(MyBerlinWall c/o Rafael von Uslar, Kantstraße 147)
Die Künstlerin ist anwesend!
Ich freue mich sehr, auf Ihr/Euer Kommen!!
Rafael von Uslar
https://myberlinwall.net
„It’s just“: Silke Helmerdig, Rehearsal on The Mirror Stage
Eine Frau blickt in einen Spiegel und hält eine Kamera vor ihr linkes Auge, ihr rechtes folgt mit seinem Blick der Ausrichtung des Apparates. Diese Szene wiederholt sich an die hundertmal in den Photographien, die in lockerer Reihung an der Wand, die Installation Rehearsal on The Mirror Stage ausbilden. Die Photographien sind Handabzüge, in Schwarz- Weiß gehalten. Die vom Wasser gestählten Papiere dehnen sich in den Raum aus und verleihen der Installation etwas von einem Relief. Die Frau im Bild ist die Photographin Silke Helmerdig und in einem ersten Moment könnte man, ob ihres derartig vielfachen Erscheinens, die Installation für ein wandfüllendes, vielteiliges Selbstporträt halten.
Dem entspricht die beschriebene, einem jedem Photo voraus gegangene Szene, eines auf das eigene Spiegelbild gerichteten Blickes, der begleitet wird durch die auf dieses Bild ausgerichtete Kamera, die mit ihrer Linse den Platz des zweiten Auges der Photographin einnimmt. Und doch, bei eingehender Betrachtung wird deutlich, hier geht es nicht um ein Selbstbildnis, hier geht es um eine Infragestellung von Positionen und Intentionen vor und hinter der Kamera, um eine Infragestellung und Neubestimmung des BetrachterInnenraums.
Spiegel
Spiegel sind Oberflächen oder treten als gerahmte Objekte auf. Manche hängen Bildern gleich an der Wand. Immer zeigen sie Räume, die bei Bedarf auch zu betreten sind. „Go ask Alice!“ Wer sich ihnen als Betrachter stellt, ist mit dem Anblick der mutmaßlichen äußeren Erscheinung seiner selbst konfrontiert. Anders als Bilder nehmen Spiegel Bewegungen auf und bieten ein nahezu filmisches Erleben. In der Anschauung erweisen sie sich jedoch als ein höchst flüchtiges, speicherloses Medium in dem alles binnen Augenblicken verschwindet, was je in ihnen zu sehen gewesen ist. - Denkt man sie als den abbildenden Gegenstand, der sie sind, so wird deutlich, dass sie eine Unendlichkeit von Bildern und Zeit in sich tragen, ebenso wie alte afrikanische Orakelbretter der Ort für zahllose, längst vergangene Zukunft sind.
Abgebildete Spiegel
Ganz anders verhält es sich, wie in Silke Helmerdigs Rehearsal on The Mirror Stage, mit Spiegeln, die selbst Gegenstand einer Abbildung geworden sind. Sie sind immer mehr als etwa nur ein Bild im Bild. Hier ist ein Moment eingefangen und gefroren. Der Umstand, dass man als Betrachter um das Wesen von Spiegeln weiß, macht diesen Aspekt von zum völligen Stillstand gekommener Zeitlichkeit umso radikaler deutlicher. Spiegel in Bildern sind darüber hinaus immer besetzte Orte, die keinen Raum lassen für das eigene Bild, die eigene Umgebung. Sie zeigen jedoch dennoch mehr als nur einen anderen Raum, so wie jedes Bild dies tut. Sie zeigen, über den Guckkasten, die Bühne des Bildes hinaus, das, diesem Kasten gegenüberliegende Raumkontinuum oder tauschen dieses sogar gleich gänzlich gegen die Kastenlandschaft aus.
Erweiterte Erzählung
In Rehearsel on The Mirror Stage erzeugen die, zur Anschauung vorgestellten Photos, noch eine ganz andere Szenerie. Hier richten sich Blick und Kamera der Künstlerin auf die BetrachterInnen aus und machen diese zum eigentlichen Betrachtungsgegenstand einer erweiterten Erzählung. In der Konfrontation mit Künstlerinnenblick und Kamera wird, wer, dem jeweiligen Bild gegenübertritt, zum potentiellen Gegenstand einer eindringlichen Beobachtung und eines potentiellen zukünftigen Photos. In diesem anzunehmenden Geschehen, wird der vor der Kamera sich eröffnende BetrachterInnnen-Raum zu einem zweiten Bildraum, der jedoch mit dem im Spiegel abgebildeten Raumkontinuum in keiner Weise in Einklang zu bringen ist. Diese Erweiterung der Erzählung führt also zu einem eklatanten Widerspruch innerhalb der eigentlich zu erwartenden Bildlogik.
Peeped
In der hundertfachen Wiederholung der immer gleichen Versuchsanordnung stellt sich angesichts des Zustandes einer ständigen Beobachtung durch eine, sich als „Peeping Tom“ verhaltende Künstlerin, eine leicht klaustrophobische Stimmung ein. Man kann sich jedoch der hundertfach sich wiederholenden Dauerobservation erwehren, indem man sich gezielt auf die, in den Bildern ablesbaren Szenerien einlässt. Hier lassen sich sowohl sehr unterschiedliche und teils überraschende Spiegelorte und deren Umgebungen entdecken -aber auch Variationen von ähnlichen räumlichen Gegebenheiten auf Gemeinsamkeiten und Abweichungen hin untersuchen. Blick und photographischer Gestus der Bildheldin jedoch bilden trotz aller Bemühungen immer wieder eine Art Stolperfalle und Abwehrmechanismus in Bezug auf jegliche Betrachtungsbemühungen. Hier schaut es ganz unverhohlen aus dem Bild zurück! Und mehr noch, die BetrachterInnen selbst werden zum Abschuss freigegeben und sind so von akuter Bildwerdung bedroht.
Der alles entscheidende Blick
Ohne Frage kommt dem Blick der Künstlerin eine zentrale Funktion in dieser aus Photographien bestehenden Installation zu. Die Künstlerin photographiert ein Bild von sich in einem Spiegel, in den sie schaut und auf den sie ihre Kamera richtet. Die Photographie, die aus dieser Situation hervorgeht zeigt zunächst einmal ein Selbstporträt. Die Frage, die sich jedoch stellt, ist die nach der Intention, die der photographischen Geste dabei zugrunde liegt. - Auffällig ist der ernste, bisweilen herausfordernde Blick der Künstlerin, der wenig gemein hat mit jenen „jubilatorischen Gesten“ der Verzückung angesichts des eigenen, im Spiegel entdeckten Bildes, wie Lacan sie als entscheidend für das Spiegelstadium beschrieben hat.
Wenn es jedoch nicht um eine Selbstbetrachtung geht, dann lässt sich die Entstehung der Photos, als auf eine Installation hin konzipierte Situation verstehen. Deren intendierte Wirkung zeigt sich dementsprechend nicht in einem Einzelbild sondern erst in der Gesamtheit der Aneinanderreihungen von Bildern in denen sich diese Situation, äußerst ähnlich angelegt, hundertfach wiederholt. Der Blick ist damit das entscheidende Element, mit dem es Silke Helmerdig gelingt, den Akt einer vermeintlichen vielfachen Selbstbetrachtung in einen provokanten Übergriff auf den BetrachterInnenraum zu verwandeln. Dies gelingt in einem komplexen Wechselspiel zwischen Spiegelglas und Kameralinse. Hier wird der Blick über das eigene Bild und den Spiegel hinaus gerichtet auf einen, erst von der Installation geschaffenen, in der Wahrnehmung der BetrachterInnen zu entwickelnden Raum.
It’s just
In einem der Photos wird die obere Bildhälfte von einer hellen Farbfläche bestimmt, auf der zu lesen steht: „It’s just“. In der zweiten Hälfte ein Spiegel, darin die photographierende Künstlerin vor einem Raum mit langen Tischreihen und Hockern. Dieses Motiv bringt die Sache auf den Punkt: It’s just Silke Helmerdig rehearsing on the mirror stage at MyBerlinWall.
Rehearsel on The Mirror Stage ist eine Probe für On The Mirror Stage, eine raumgreifende Installation, die Silke Helmerdig für die 11m2 entwickelt.
Rafael von Uslar
https://11m2berlin.com
https://myberlinwall.net